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Viertausendsechshundertvierunddreissig

Museum am Abteiberg Mönchengladbach, 1999
Kuratorin Dr. Hannelore Kersting

(...) Das Matterhorn – Wahrzeichen und Stolz der Nation – verleiht der Ausstellung den Titel, denn seine Höhe beträgt 4478 m über dem Meeresspiegel. Die Länge der Zahl ist der beträchtlichen Höhe angemessen, aber die ungewohnte Schreibweise irritiert und deutet auf eine abstraktere Ebene. Die ehrwürdige Ikone der Schweizer Alpen tritt nur indirekt in Erscheinung. Fotografiert und vermarktet im Übermaß entzieht sich der prominenteste der Schweizer Berge einer weiteren Reproduktion. Er bleibt unsichtbar und ist in der Welt der Vorstellung doch schemenhaft präsent als Inbegriff und Klischee der Alpen. (...)

In dem kreisrunden Kuppelraum des Museums Abteiberg, der als zentraler Rundbau mit Lichteinfall von oben geradezu prädestiniert ist für dieses Projekt, inszeniert Simon Beer ein klassisches Panorama, das selbst dem sakralen Charakter dieser Architektur gerecht wird. Ein raumfüllendes Wandgemälde zeigt die Alpen aus der Sicht der Dufour-Spitze (4634 m), der höchsten Erhebung der Schweiz, dargeboten auf dem nicht ganz so hohen Abteiberg. (...)

Der Wunsch, auch ohne sportliche Höchstleistung einen Viertausender zu bezwingen, erfüllt sich für den Betrachter zumindest symbolisch, wenn er statt des imposanten Gipfels den Raum betritt, den Simon Beer zu einem «Aussichtspunkt» umfunktioniert. (...) Ringsum verlaufende Apparaturen der Klimaanlage werden interpretiert als Brüstung einer erhöhten, begehbaren Plattform. Die Weite des Himmels geht über in das Licht der Kuppel. Selbst die profane Bodensteckdose im Zentrum wird einbezogen. Sie markiert den idealen Standort des Betrachters, an dem er zum Mittelpunkt der vorgetäuschten Welt wird.

Des Weiteren stellt Simon Beer drei skulpturale Objekte aus: transportable, begehbare «Zellen», von denen jede in ihrem Inneren ein jeweils anderes, 6,5 m langes Panoramafoto vom Gipfel eines weiteren Viertausenders der Schweizer Alpen birgt. Es sind leicht anmutende Konstruktionen, ringförmig gebogen, von der Decke hängend, oben und unten offen und lediglich an einer Seite mit einem schmalen Eingangsschlitz versehen. (...) Jede Zelle grenzt mitten im Museum einen eigenen Raum aus, versetzt den Betrachter vorübergehend an einen anderen Ort in höheren Sphären, ohne dass er Gefahr laufen müsste, den sicheren Kontakt zum Boden zu verlieren, wie es das von außen sichtbare, «geerdete» Paar Beine nur allzu deutlich signalisiert. Paradoxerweise entsteht in der abgeschirmten Enge des Objektes der Eindruck unendlicher Weite und Freiheit, vermittelt durch die faszinierenden Landschaftsbilder, die nunmehr als brillante Fotografien präsentiert werden. Die (Ausstellungs-)Orte dieser Objekte sind innerhalb des Museums variabel. Die Wanderung von Gipfel zu Gipfel führt durch die Geschichte der Kunst.

Ist das überwältigende Alpenpanorama ursprünglich ein einzigartiges, unvergessliches Erlebnis mit Seltenheitswert, Höhepunkt und Belohnung nach einem langen, beschwerlichen Anstieg, wird es nunmehr dank der Reproduktionsmedien an jedem Ort, zu jeder Zeit mühelos und beliebig oft verfügbar. Es wird inflationär, ein Zerrbild seiner selbst. Spätestens wenn sich dem Museumsbesucher zum wiederholten Male an anderer Stelle ein anderes Panorama und auch noch in einer anderen Technik eröffnet, wird deutlich, dass es um Macht und Mechanismen der Medien geht – um ihren Einfluss und ihre Ersatzfunktion. (...) Simon Beers inszenierte Panoramen verheißen Aussicht auf das Paradies, um zugleich Einsichten in die Vertreibung daraus zu vermitteln, denn die Verführung durch die Medien ist nicht nur unwiderruflich, sie ist auch unwiderstehlich.

viertausendzweihundert- einundzwanzig, im Untergeschoss Saal mit kinetischer Kunst

viertausenddreiundsechzig, im Erdgeschoss mit Blick auf die Parkanlage und Skulpturengarten.

viertausendfünfhundertsechs, im Erdgeschoss (Vorraum zum Kuppelsaal), im Hintergrund die Cafeteria, oben Wandmalerei von Laurence Weiner


Material:
Spannplatten 12-fach verklebt, Ø 325 cm mit Öffnung von ca. 40-50 cm, an Drahtseilen an die Decke montiert. 3 Panorama-Fotos des jeweiligen Berggipfels, ca 100 x 65 cm (Cibachrome). Im Kuppelsaal: Wandmalerei, Acryl ca. 2400 x 350 cm.